Vom Nachmittagsspaziergang her weiß ich, was mich draußen erwart, als ich am frühen Abend von der Ferienwohnung in Cuxhaven zu einem kurzen Lauf entlang der Nordsee aufbreche: bewegte See, Gischtkronen und Windstärke 8, in Böen 10.
Da weiß auch der meteorologische Laie: das ist mehr als ein Karnickelpups.
Sturmspaziergang an der Nordsee
Nach zwei Minuten erreiche ich die Grimmershörnbucht, überquere den Deich und stelle fest, dass zumindest der Weg am Wasser wieder belaufbar ist, der am Nachmittag noch von der stürmischen See überspült wurde. Aber durch die Ebbe hat sich das Meer inzwischen etwas zurückgezogen und gibt den Weg wieder frei.
Ich wende mich nach links Richtung Kugelbake, um zunächst gegen den Wind zu laufen. Dieser drückt direkt mit Macht von vorne. Ich stemme mich den Naturgewalten entgegen und erlaufe mir Meter um Meter. Viel schneller als ein Walker der Frankfurter-Kranz-Klasse bin ich dabei nicht. Es fühlt sich so an, als hätte ich ein dickes Gummiband im Rücken, das versucht, mich zurückzuziehen.
Der Wind findet ein Schlupfloch unter die Jacke und bläht diese so auf, dass ich aussehe wie ein schwarzes Michelin-Männchen. Nieselregen peitscht wie kleine Nadelstiche in mein Gesicht. Oder sind es vielleicht Gischttropfen?
In Höhe der Kugelbake erreiche ich Sandstrand und Watt und laufe auf dem asphaltierten Weg weiter Richtung Cuxhaven-Duhnen. Durch die leichte Richtungsänderung kommt der Wind jetzt seitlich. So lässt es sich besser laufen, allerdings wird mir jetzt der Sand ins Gesicht geblasen und sorgt dafür, dass meine rechte Gesichtshälfte gesandstrahlt wird.
Einige Unentwegte buddeln tatsächlich im Watt, aber die meisten der Touristen sitzen im warmen Restaurant, stehen windgeschützt herum oder gehen dick eingemummelt spazieren.
Was die wohl über den Typen denken mögen, der da durch den stürmischen Wind läuft? Letztendlich ist es mir aber auch egal, denn ich habe mich bewusst für einen „Sturmlauf“ entschieden, denn wann hat man so etwas in der Heimat schon?
Da die Knie ein klein wenig wegen der Radtour am Vortag jammern drehe ich am Strandhaus Behrens um und kriege das Gesicht jetzt von der anderen Seite mit Sand gestrahlt.
Während ich wieder auf die Kugelbake zulaufe freue ich mich schon auf den Rückenwind, der mich danach erwarten wird. Nach der Biegung ist es dann soweit.
Puste, Wind, puste! Lass mich fliegen!
Es ist, als würde er am Rücken schieben und mir von hinten in die Beine greifen und sie etwas anheben. Ich nehme Fahrt auf und bedauere den Radfahrer, der mir entgegen kommt und sich gegen den Wind stemmt, der mich gerade vorantreibt. Mein Tempo ist deutlich höher. Es macht Spaß, so durch die Bucht gepustet zu werden.
In Höhe des Deichüberganges ist das kurze Vergnügen aber leider wieder vorbei und die letzten paar hundert Meter bis zur Ferienwohnung sind dann wieder windgeschützter.
Als ich mir dort mit dem Finger durch das Gesicht fahre merke ich, wieviel Sand dort klebt. Wahrscheinlich könnte ich Muster hineinmalen und ein Peeling machen. Ich entscheide mich dann aber doch für die heiße Dusche.
So nervig Wind beim Laufen manchmal auch sein kann: so ein kleiner Trainingslauf bei stürmischem Wind ist eine tolle Sache. Und ich beneide diejenigen ein wenig, die dieses Vergnügen häufiger haben können.
9 Kommentare:
Ein Sturmlauf ist doch fein! Sofern er nicht täglich vorkommt, kann man ihn wirklich genießen, was Du ja auch getan hast.
Nur auf die heiße Dusche hätte ich verzichtet, ich ziehe mir doch die kalte vor. ;))
Dann wünsche ich Dir weitere angenehme Sturmläufe, allerdings reicht Windstärke 6 auch aus, gell? :)
Irgendwie klingt das überhaupt nicht besonders, so ist es hier doch immer :D Aber schon klar, dass das für Auswärtige dann etwas anderes ist, wobei du damit scheinbar auch noch gut zurechtgekommen bist. Weckt einen richtig auf, der Sturm hier.
Hört sich nach einer interessanten Sache an. Da ich ja tendenziell eher im Wald laufe, ist es bei solchen Witterungen immer zu gefährlich.
Am Meer kann dir eigentlich nur ein Fisch an den Kopf fliegen! ;-)
Marcus, von mir aus darf es abseits des Meeres auch gerne weniger als Windstärke 6 sein.
Eine leichte, warme Brise reicht mir da völlig aus.
;-)
Ja, Hannes, für mich war es tatsächlich etwas Besonderes. Immer brauche ich das aber nicht. ;-)
Gerd: *grins*
Natur pur, klingt für mich Nordseekind toll (aber ja, das muss man nicht immer haben;))
Das Bild auf dem der Wind die Anonymität mit Hilfe der Haare wart ist genial :)
" Und ich beneide diejenigen ein wenig, die dieses Vergnügen häufiger haben können."
Ja, kannst du auch, du Michelin-Männchen, weil du das so schön beschrieben hast, was mir hier sehr oft geboten wird: Windstärke 8, mehr als ein " Karnickelpups ", ja, aber bei Windstärke 12 da fängt der Spaß erst richtig an.
Schön zu lesen, wie viel Freude du gehabt hast, da macht Lust auf Wind.
Auch das Foto von Kris ist super gut gelungen, Haare, nur Haare !
Klasse Laufbeschreibung. Da krieg ich auch Lust, obwohl ich Wind beim Laufen nicht wirklich mag.
Da waren wir auch schon! *hüpfhüpf* Wir hatten eine Ferienwohnung ziemlich direkt an der alten Liebe. Und unser Wetter war auch so hübsch. Einmal spazieren und der Wind hat einem sogar die UNterwäsche durchnäßt. Herrlich war`s! :-D
@Krissss: Hübsches Gesicht. ;-)
Julia, das mit den Haaren war knapp am Vermummungsverbot vorbei. ;-)
Margitta, an dich und deinen Sturmlauf neulich musste ich beim Laufen denken.
Und bei der Verteilung des Neides natürlich auch. ;-)
Danke, Anja.
"Schiebewind" ist aber 'ne feine Sache. ;-)
Evchen, in CUX war ich jetzt das 6. Mal - immer wieder eine Reise wert. Die Unterwäsche hat's bei mir aber noch nie durchnässt. ;-)
Von Kris soll ich ein "Danke schön" ausrichten.
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